top of page

Die Macht des Vertrauens

Vor geraumer Zeit haben wir neue Nachbarn bekommen, – angenehme Nachbarn, leise, freundlich und immer zufrieden, mit einem Wort: ideal. Nur manchmal, wenn das Wetter umschlägt und der Wind „günstig“ ist, spürt man einen leichten „Hauch des Waldes“ in der Luft liegen, der vom Wildgehege herüberzieht.

Unsere Nachbarn haben sanfte, braune Augen, und es dauerte recht lange, bis sie sich in die Nähe des Zaunes wagten. Vor allem, wenn am Freitag die laute Kinderkreisschar um Kirche und Pfarrhaus tobt, bleiben sie lieber auf Distanz, erheben erstaunt die Köpfe und wundern sich.

Unsere Nachbarsfamilie (oder besser Sippe?)wird angeführt von einem stolzen Hirsch, der sein Revier in regelmäßigen Abständen abschreitet und die jungen Spießer auf Abstand hält.

Umso verwunderlicher, dass er die Essensspenden, die ich ab und zu an den Zaun trage, gerne, wenn auch mit Würde, entgegen nimmt.

Leider löst sein Erscheinen am gastlichen Zaun bei den Hirschkühen, die viel eher meiner Einladung entgegenkamen, jedes Mal Aufregung hervor: Selbst die mutigsten unter ihnen weichen mit einem leisen, resignierten Fieplaut vor ihm zurück, Apfelschalen und Brotreste im Gesamten ihm überlassend.

Solch ein Verhalten muss bei einer Pfarrfrau solidarisches Verhalten auslösen, Instinkt hin, Instinkt her, die Mahlzeit gebührt schließlich allen.

Heute nun ist mir der Zufall zu Hilfe gekommen.

Als ich nämlich die große, rote Schüssel, aus der ich vorher die Apfelschalen über den Zaun entleert hatte, vor meinen Körper hielt, wich der Pascha im gleichen Augenblick von seinem Mahl zurück. Dies wiederum gab den Hirschkühen Zeit, sich den ersehnten Leckerbissen zu nähern. Verschwand die Schüssel hinter meinem Rücken, so gewann der Hirsch im Fressen wieder die Oberhand.

Warum diese Erkenntnis nicht nützen? Also: Rot für den Hirschen ist Grün für die Kühe, genau genommen also fast eine ampelgeregelte Mahlzeit.

Was im Ganzen gesehen wieder einmal zeigt, dass Vertrauen zum Geber immer von Vorteil ist. Und von diesem Vorteil profitierten, wen mag es verwundern, meine sanftmütigen Nachbarinnen.

Ob dies für das Reich Gottes genauso gilt?

bottom of page