Gedanken von Adelheid Eisele - Gemeindereferentin Ravensburg
"Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen, und dann würde was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein...", so dichtete Reinhard Mey vor vielen Jahren in einem Lied und beschreibt darin, wie er sehnsuchtsvoll am Flughafen vom Boden aus den großen Flugzeugen nachschaut. Freiheit - was ist das für ein großes Wort. Eine Ursehnsucht vieler Menschen. Ein Leben ohne Sorgen - machen können, was man will, - Zeit haben.
Ich glaube, Jesus war ein im Höchstmaß freier Mensch. Er ging, wohin er wollte; lehrte und tat, was er als richtig erkannt hatte. Und vermutlich war es diese innere Freiheit, die seine Zuhörer faszinierte. Diese Freiheit war göttlich, geistgewirkt und geistbeseelt, befähigte zur Liebe. Und deshalb war sie anziehend. Ganz anders als eine durch Macht und Geld gewonnene egozentrische Willkür, die vielleicht Neid auslöst, aber keine tiefere Anziehungskraft besitzt.
Freiheit hat ihren Preis Viele begleiteten ihn, heißt es im heutigen Evangelium. Und ganz offensichtlich genießen sie die Zeit mit ihm. Sie spüren sie den Hauch eines neuen Lebens, eines Abenteuers, das sie tiefer erfassen wollen. Doch auf die Frage, die in der Luft zu liegen scheint: Könnte ich nicht ganz mit Jesus gehen und noch viel mehr von ihm? - auf diese Frage antwortet Jesus unaufgefordert und nennt den Preis dieser Freiheit, die er selbst lebt. Wer sein Jünger, seine Jüngerin sein will, muss seine Familie und sein eigenes Leben gering achten und bereit sein, auf den ganzen Besitz zu verzichten.
Freiheit muss man lernen. Und zu diesem Lernen gehört erst einmal, Liebgewordenes zu lassen. Schauen wir diese Dinge, die Jesus nennt, näher an.
"Wenn jemand nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, kann er nicht mein Jünger sein", so haben wir gehört. Es geht nicht darum, aus Bequemlichkeit, wegen eines Streites oder um der Selbstverwirklichung willen die Familie zu verlassen. Ausdrücklich wird an anderen Stellen des Evangeliums davor gewarnt, die Pflichten z.B. alten Eltern gegenüber zu vernachlässigen, um scheinbarer Frömmigkeit willen.
Sich selbst loslassen Vielmehr geht es um die Frage: Von wem lerne ich? Tue ich, was meine Verwandten denken und fordern? Oder an wem orientiere ich mich? Jesus sagt: Auch das eigene Leben sollen wir gering achten. Auch die eigenen Wünsche können auf dem Weg zu erfülltem Leben stören. Wenn ich meine eigenen Wünsche, meine Bequemlichkeit oder Empfindlichkeiten zum Maßstab meines Denkens und Handelns mache, dann bleibe ich in meinen eigenen, in irdischen Denkmustern. Ich kann die Weisheit meines Meisters nicht lernen, weil ich sie ja von mir und meiner engen Erfahrung her beurteile und prüfe, ob sie in mein System passen. Für Gottes größere Weisheit und Wahrheit bleibt kein Platz.
Ein erster Schritt zur Jüngerschaft ist also: Die bisherige Brille ablegen. Mein eigenes Ich nicht mehr zum alleinigen Maßstab zu erheben, auch nicht die Zustimmung oder Ablehnung derer, die mein Leben am meisten geprägt haben. Bewusst bereit sein, die Welt mit den Augen Gottes zu sehen.
Wir spüren hier schon die Konflikte. Konflikte mit der Familie, aber auch mit Nachbarn, Arbeitgebern und Freunden. Wir ahnen, wie viele bisher gültigen Werte und Normen nun angefragt werden.
Besitz loslassen Jesus spricht einen weiteren Bereich an: Freiheit ist notwendiger Weise auch Freiheit von Besitz. Nur wer loslassen kann, kann sich auf Neues einlassen. So sagt es das Evangelium, aber auch die menschliche Erfahrung. Denn wie viele Konflikte lassen sich nur deshalb nicht lösen, weil keiner der Streitenden bereit ist, auf Liebgewordenes oder auf einen bestimmten Lebensstandart zu verzichten?
Und: Zu Jesus gehören bedeutet auch, zur großen Familie Gottes zu gehören, alle Menschen als Brüder und Schwestern zu sehen, die ich in Not nicht im Stich lassen kann. Freiheit kostet. Sie kostet, rein äußerlich gesehen, oft Besitzstände, sie kostet die Zustimmung anderer und oft auch die eigene Bequemlichkeit. "Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein", heißt es im Evangelium. Diese Kosten gilt es abzuwägen. Wogegen? Nicht gegen eine Freiheit, die isoliert, spaltet oder nur tötet. Sondern gegen eine Freiheit, die aus der Beziehung zu Gott entsteht. Aus seiner unendlichen Liebe. Wer nicht vertrauen kann, dass Gott es gut meint, kann das eigene Leben nicht gering achten.
Sich auf Christus einlassen Wir brauchen notwendiger Weise einen Ort, wo wir uns sicher und geborgen fühlen, sonst können wir nicht gesund leben. Dieser "Ort", diese innere Heimat liegt in unserer Beziehung zu Christus. Wer sich auf die Liebe zu ihm einlässt, der spürt, dass es da jenseits aller weltlichen Sicherheit, jenseits von äußerem Erfolg, oft sogar mitten in Trauer und Verzweiflung den Himmel gibt. Die Erfahrung von Trost, Bejahung, innerem Frieden und Kraft. Wir lernen, die Welt immer mehr so zu sehen, wie sie wirklich ist, und nicht, wie wir sie gerne hätten und träumen. Und diese klare Sicht, lässt uns vertrauen, dass Gottes Weisheit uns einen guten, ja den einzig richtigen Weg führt.
Freiheit hat ihren Preis. Sie fordert, uns auf Gottes Geist einzulassen und uns von ihm leiten lassen. Entscheiden wir klug!