Sind 43% Glauben genug? - Gedanken zur Jahreslosung 2010
„Euer Herz erschrecke nicht!“, lesen wir im ersten Teil der Jahreslosung. Es ist ein Wort, das direkt aus dem Mund Jesu kommt. Er sitzt mit seinen Jüngern um das Passalamm. Und da gibt Jesus, der weiß, dass große Veränderungen bevorstehen, seinen Jüngern dieses Wort mit auf den Weg als Teil seiner Abschiedsreden, als ein Vermächtnis: Euer Herz erschrecke nicht!
Brauchen wir dieses Wort, diesen Trost? Was erschreckt uns an der Schwelle in dieses neue Jahr hinein? Was macht uns Angst? Was wird in den kommenden 12 Monaten passieren? In der Welt, der Politik und Wirtschaft, aber eben auch und ganz besonders: in unserer Familie und im eigenen Leben. Welches Leid wartet auf mich? Wird es Zeiten der Trauer geben? Werde ich gesund bleiben? Werde ich ein Ohr haben für Gott, werde ich tun, was ich höre von ihm oder wieder versagen?
„Euer Herz erschrecke nicht.“ Wir stehen an der Tür des beginnenden Jahres und vielleicht fühlen wir uns wie ein ängstliches Kind. Die Tür ist erst einen kleinen Spalt offen, es ist noch finster in diesem neuen Raum und ein bisschen unheimlich. Wir wissen nicht, was hinter der Türe liegt? Helles oder Dunkles? Schönes oder Leid? - Und wir zögern noch, die Tür aufzutun und einzutreten. Brauchen wir diese Zusage Gottes? Ich glaube, ja. Diese Welt ist voller Angst. Schon bei ca. 10% der Kinder liegen Angststörungen vor, d.h. Ängste, die das Leben deutlich erschweren, die eine Belastung darstellen. Man geht davon aus, dass im Laufe des Lebens jeder vierte Amerikaner schon einmal durch Phasen einer Angststörung gegangen ist, d.h. Angst, die so stark war, dass sie zu einem Handicap geworden ist, die gelähmt hat, die dazu geführt hat, dass das Leben nicht mehr oder kaum mehr zu bewältigen war. Angst vor der Zukunft, vor anderen Menschen oder auch vor eigentlich harmlosen Situationen. Das Wort Angst kommt vom indogermanischen Wort „angh“. Das bedeutet eigentlich eng oder Enge, es hat zu tun mit zusammendrücken, würgen, niederdrücken. Da ist man wie in einem Loch, einer Enge, aus der man nicht mehr herauskommt, wo es finster ist und wir wie gelähmt drin stecken.
Angst, ob nun Panik, Lähmung, Sorgen, Furcht vor ganz bestimmten Dingen oder allgemeine Zukunftsängste kennen wir alle, auch wir, die wir Jesus kennen. Nicht umsonst ist dieses Wort: Euer Herz erschrecke nicht! ja an seine Jünger gerichtet. In der Welt habt ihr Angst, sagt Jesus, ja es ist normal, dass Ängste kommen, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Ich bin größer, ich stehe drüber. Ich habe alles in der Hand!
Diese Jahreslosung geht aber noch weiter: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!, sagt Jesus.
Sind 43% Glauben genug? Ja, Sie haben richtig gelesen. Sind 43% Glauben genug? Mir ist diese Frage - und zwar sehr ernst - vor ein paar Monaten gestellt worden. Sind 43% Glauben genug? Was hättet Sie geantwortet?
Diese Frage stammt von Paul (der Name wurde zur Wahrung der Anonymität geändert). Paul ist ein Mann im besten Alter. Er ist schon gehörlos geboren, „taubstumm“ hätte man früher gesagt. Paul ist mit wenig Kommunikation aufgewachsen, ein normal intelligenter Mann und doch vielleicht durch den Mangel an Wörtern, an Begriffen, an Information etwas besonders in seinem Denken und seiner Wahrnehmung. Diesem Paul, einem Mann mit den Diagnosen „Taubheit“ und „autistische Wahrnehmung“ hat Gott einen Hunger nach ihm geschenkt und ein echte Gottesbegegnung.
Und da sitzt er jetzt vor mir. Auf die Minute pünktlich ist er gekommen – wie jeden Monat und packt wie immer einen langen Zettel aus. Dieser Zettel ist voller Fragen, die er gesammelt hat in diesem letzten Monat. Meistens sind es um die 15 bis 20 Fragen. Paul will keine langen Diskussionen, er will nicht mit noch mehr Fragen nachhause gehen. Er will klare Antworten. Und da steht an diesem Abend diese Frage als allererste: Sind 43% Glauben genug?
Glaubt an Gott und glaubt an mich, sagt Jesus in der Jahreslosung. Aber kann man denn Glauben in Prozenten berechnen? Ich habe mir eine Waage vorgestellt mit Glauben oder auch Vertrauen auf der einen Seite und Zweifel auf der anderen. Bei 43% ist somit der Zweifel eigentlich stärker als der Glauben, der Waagbalken also leicht schief. Wenn der Glauben unter 50% liegt, kann ich da erwarten, dass Gott etwas tut, dass er mich hört, dass er mir hilft? Das war eigentlich die Frage von Thomas.
Ich habe mich in diesem Moment erinnert an eine Begegnung Jesu mit einem tauben jungen Mann und mit seinem Vater, in der es genau um diese Frage des Glaubens ging (nachzulesen in Markus 9). Da war ein junger Mann, gehörlos, stumm, vermutlich ein Epileptiker, ein Mann mit einer Mehrfachbehinderung würden wir heute sagen, und das bereits seit vielen Jahren. Und da war sein Vater, ein Mann, der keine ruhige Sekunde mehr hatte in den letzten Jahren, ein Mensch voller Angst. Die Lage war schon so schlimm, dass sein Sohn immer wieder ganz plötzliche Anfälle bekam und so schon mehrmals ins Feuer oder auch ins Wasser gefallen war und dabei fast gestorben wäre. Und das konnte immer und immer wieder neu passieren. Wir lesen von Besessenheit. Und jetzt war dieser Vater mit seinem mittlerweile wohl erwachsenen Sohn zu den Jüngern gekommen, um ihn heilen zu lassen. Aber, sie konnten es nicht.
Und da kommt nun Jesus daher, gerade vom Berg der Verklärung herunter und sieht seine Jünger, sie hatten es nicht geschafft, diesen jungen Mann zu heilen und waren gerade am Streiten mit den Schriftgelehrten, die sich natürlich insgeheim freuten, dass es ihnen nicht gelungen war. Viel Volk war da. Und da sieht dieser Vater, dieser Mann im Dauerangstzustand Jesus und breitet seine ganze Geschichte vor ihm aus: Markus 9, 17.
Und was sagt dieser Vater dann zu Jesus? Ich weiß, du kannst alles, ich vertraue dir, ich glaube dir. Mach meinen Sohn gesund! NEIN! Er sagt: Wenn du etwas vermagst, wenn du etwas kannst, dann hab Erbarmen mit uns und hilf uns. Ein Aufschrei, eine Bitte mit ganz viel Zweifel, wohl nicht mehr als 43% Glauben. Wie reagiert Jesus auf diesen schwachen Glauben?
„Wenn du etwas vermagst? Alles ist dem möglich, der glaubt.“ Ja, Jesus spricht ihn an auf seinen Glauben, das Vertrauen dieses Mannes ist ihm wichtig. Und sofort ruft der Vater laut: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Ich glaube, aber hilf mir, dir noch mehr zu vertrauen. Ich glaube, aber es sind vielleicht nur unter 50% aber hilf mir dir noch mehr zu glauben.
Was tut Jesus? „Tut mir leid mein Freund, unter 50% geht schon einmal gar nichts. Ich wünsch mir 100% Glauben. Wir werden dich einmal auf eine Glaubensschule schicken, du sollst einmal richtig und anhaltend und treu und voller Glauben beten lernen. Und dann kannst du gern wieder kommen.“ Nein, Jesus macht seinen schwer gezeichneten Sohn gesund.
Seine Jünger kommen hinterher zu Jesus, die beiden Männer waren schon heimgegangen und stellen ihm die Frage: Warum, Herr, warum haben wir das nicht geschafft. Jesus sagt schlicht, “Diese Art kann nur durch Gebet ausgetrieben werden!“.
Wer hatte denn gebetet? Die Jünger? Wir lesen nichts davon. Das Volk war es nicht. Die Schriftgelehrten schon gar nicht. Es war dieser Vater, der Jesus gebeten hatte, in der Verzweiflung seines Herzens, mit einem erschreckten, verzweifelten, aber offenem Herzen.
Worum geht es hier und in diesem neuen Jahr? Nicht auf starken Glauben sondern auf Glauben an einen starken Gott kommt es an. Glauben, der sich so äußert, dass wir zu Jesus gehen und ihm unser Herz ausschütten, so wie es ist, solch ein Glauben genügt.
So habe ich Paul dann auch geantwortet, mit einem einfachen Ja! Ja, wenn die 43% Glauben alles sind, was du hast, und wenn du mit diesen 43% zu Jesus kommst, dann ist es genug, dass er dir hilft.
Unmittelbar vor dieser Jahreslosung sagt Petrus Jesus seine Treue bis in den Tod zu. Ich folge dir nach. Mein Leben will ich für dich hingeben. Und Jesus kündigt ihm an, dass er ihn verraten wird, bevor der Hahn drei mal gekräht hat. Diese Hähne da und dort auf Kirchen oder Häusern erinnern daran, dass es mit unserem Glauben nicht weit her ist. Jesus will aber nicht, dass wir uns schämen, resignieren und aufgeben. Es ist der falsche Weg einfach nicht mehr zu beten, nicht mehr zu Jesus zu kommen, nur weil wir voller Zweifel sind, weil die Zweifel und Ängste stärker sind, als der Glaube. Bei Jesus genügen auch 43% Glauben – oder weniger (nebenbei gesagt). Das war auch eine Botschaft, die ich gelernt habe von Paul und am lernen bin!
Machen wir Gebrauch von diesem Privileg wann immer wir wollen und wie immer es ausschaut mit unserem Glauben einfach zu Jesus zu kommen.
/ Daniel Holzinger /