In Bhutan wird das Bruttonationalglück gemessen. Während wir hier in Europa das Bruttosozialprodukt kennen, geht das kleine Land im Himalaja andere Wege. Nicht Geld, sondern Glück ist das höchste Gut!
Zahllose Glücksratgeber in den Regalen der Buchhandlungen weisen darauf hin, dass Glück auch ein großes Thema in unserer Gesellschaft ist. Wir sehnen uns nach Glück. Wenn wir darüber nachdenken, was Glück eigentlich ist, merken wir schnell, dass es Unterschiede gibt. Eigentlich gibt es drei verschiedene Arten von Glück.
Erstens: Das Zufallsglück. „Glück gehabt!“ sagen wir, wenn etwas gut ausgeht. Sei es, dass es bei einem Unfall nur Blechschaden gibt, wir entgegen unserer Befürchtungen die Prüfung bestehen, die Diagnose beim Arzt doch nicht so schlimm ist oder es einfach nicht regnet, wenn wir unseren Regenschirm vergessen haben. Eher selten bietet sich die Gelegenheit, es nach einem Lottogewinn auszurufen… Dieses Zufallsglück kommt und geht. Es bleibt vielleicht einen Moment oder zwei. Ist jedoch nie von Dauer.
Ebenso verhält es sich mit dem Wohlfühlglück. Glück haben heißt hier: „Es geht mir gut, ich bin gesund, ich mache angenehme Erfahrungen, ich habe Erfolg,ich bin in guter Stimmung... kurz gesagt: Ich fühle mich wohl!“ Dieses Wohlfühlglück erfahren wir in ganz besonderen Augenblicken. So ein Glücksmoment ist eine aromatisch duftende, wohlschmeckende Tasse Kaffee. Oder ein schöner Film, der zusammen mit einem Freund zelebriert wird. Oder das vertraute Gespräch, in dem Liebende sich miteinander gelegentlich verlieren. Die Zeit entschwindet. Die Aufmerksamkeit des anderen tut einfach nur gut. Ebenso die Herausforderung, die bewältigt wird, die neue Erfahrung, der unbekannte Weg. Auch dieses Glück hält nicht lange vor. Wir genießen es. Doch festhalten oder beliebig ausdehnen können wir die Glücksmomente nicht. Um noch mal auf den Kaffe zu kommen. Wenn wir auf die Idee kämen, nicht nur eine Tasse Kaffee zu trinken, sondern zehn, dann würde der Glücksmoment nicht größer werden, sondern zerstört.
Es gibt noch ein drittes Glück. Dieses Glück beschreibt der Philosoph Wilhelm Schmid als „Glück der Fülle“. Diesem Glück kommen wir auf die Spur, wenn wir einem Menschen zum Geburtstag „viel Glück und viel Segen“ wünschen. Dann meinen wir ja mehr als dass ihm unerwartet gute Dinge passieren und er viele Wohlfühlmomente hat. Das auch. Natürlich! Doch wir wünschen ihm selbst dann noch Glück, wenn er Pech hat. Wir wünschen ihm, dass er auch dann noch Glück erfährt, wenn in seinem Leben ziemlich viele Dinge schief laufen. Sogar Glück erfährt, wenn er leiden muss. Dieses Glück der Fülle ist im Unterschied zu den anderen beiden Arten von Glück dauerhaft. Es kommt mir nicht von außen entgegen, sondern wächst von innen aus mir heraus. Dieses Glück umschließt alles andere. Sogar die Zeiten, an denen ich unglücklich bin. Dieses Glück gewährt Freude im Leiden und Heil im Unglück.
„Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ Das ist die abschließende Erkenntnis von einem, der sich mit einer im Moment keineswegs glücklichen Situation auseinandersetzt. Sein Name: Asaph.
Asaph kommt ins Grübeln über sein Leben. Er glaubt an Gott. Ganz bewusst hält er sich zu ihm. Er betet. Er beachtet Gottes Gebote. Er besucht regelmäßig die Tempelgottesdienste. Er leitet sogar den Tempelchor.Asaph führt ein Leben, in dem Gott im Mittelpunkt steht. Dieser Asaph fragt sich eines Tages: „Bin ich eigentlich glücklich?“ Zu seinem eigenen Erschrecken stellt er fest: „Nein, ich bin es nicht!“ „Ich bin täglich geplagt und meine Züchtigung ist jeden Morgen da.“ (V. 14) klagt er.
Es geht ihm einfach schlecht. Erst hat er kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu. Selbst die Glücksmomente in seinem Leben kann er gar nicht genießen. Er nimmt sie einfach nicht wahr. Er ist so melancholisch, dass er nicht glücklich werden kann. Solche Situationen kennen wir vielleicht auch. Hinzu kommt für ihn noch eine Sache, die ihm seine Situation schier unerträglich werden lässt: Asaph beobachtet Menschen, die sich weder um Gott noch um ihre Mitmenschen scheren, das Glück aber scheinbar für sich gepachtet haben. Dass ausgerechnet diese „Gottfernen“ ein erfolgreiches Leben führen vergrößert sein Unglück noch. Er stellt fest: Denen geht es total gut. Die sind reich, die haben Erfolg, die haben Wohlstand und Komfort, die fahren die fetten Autos und fliegen ans Ende der Erde in den Urlaub, die sind gesund trotz ihres Lebenswandels, die kommen voran obwohl sie es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, die haben keine Probleme, ihren Willen durchzusetzen. „Sie tun, was ihnen einfällt.“ (V. 7) Ohne Gott können die ihr Leben in Glück und Zufriedenheit führen. Selbst im Sterben sind viele ohne Angst und Seelenqual. Dabei hat Gott keinen Platz in ihrem Denken. Der höchste Wert und das entscheidende Kriterium ist ihr eigener Vorteil.
„Das tat mir im Herzen weh und stach mich in meinen Nieren“ (V. 21), so sehr leidet Asaph täglich unter der für ihn ungerechten Situation. „Den anderen geht es gut, obwohl sie es nicht verdient haben und mir geht es schlecht!“ Fast hätte er darüber sein Vertrauen in Gottes Güte verloren und ihm seine Treue aufgekündigt. Fast hätte er den Stecker zum Glauben gezogen. Was nützen ihm alle Anstrengungen, sich nach Gottes Geboten zu richten, sein Herz „rein zu halten“? (V. 13) fragt er. Die, die sich über Gott erheben, werden nicht bestraft. Im Gegenteil: ihre Haltung und ihr Handeln wird auch noch von Erfolg gekrönt. Das wiederum nehmen sie zum Anlass, sich über Gott zu erheben und andere zu spotten: „Ihr seid ja blöd. Warum macht ihr das nicht genau so wie wir? Ein bisschen betrügen ist doch OK. Man kommt weiter im Leben!“
Heute sagt man: „Der Ehrliche ist der Dumme.“ Wie gut können wir die quälenden Gedanken des Psalmbeters nachvollziehen. Asaph bleibt dann aber in seinen schweren Gedanken nicht stecken. Zum Glück. Er merkt: Diese Grübeleien machen mich kaputt. Sie bringen mich weg von Gott. Neid, so lernt Asaph, ist eine gefährliche Angelegenheit. Der englische Evangelist Spurgeon meinte dazu: „Neidische Augen sehen alles, worauf sie hinstarren, vergrößert“ Nochmal:„Neidische Augen sehen alles, worauf sie hinstarren, vergrößert“ Asaph nimmt sozusagen einen Lupe in die Hand und vergleicht sein Leben mit dem Leben der Anderen. Er sieht dadurch das Leben der Anderen ganz groß. Dabei nimmt er all das Große und Schöne deutlich wahr. Und dann schaut er durch die Lupe auf sein Leben. Es kommt ihm armselig und schlecht vor. Asaph verzweifelt.
Schließlich bricht Asaph aus dem Teufelskreis seiner Gedanken aus und tritt ein „ins Heiligtum Gottes“ (V.17), in Gottes Nähe. Da geht ihm ein Licht auf. Er nimmt wahr, wie schlüpfrig der Grund ist, auf dem die Gottfernen stehen und wie schnell ihre Glückssträhne zu Ende sein kann. Ihm wird klar, dass die Gottlosen den HERRN zwar völlig aus ihrem Leben ausblenden können. Aber nur weil sie nicht an ihn denken ist Gott ja nicht verschwunden. Es wird aber der Zeitpunkt kommen, an dem Gott von jedem Menschen eine Antwort verlangt auf zwei Fragen. Gott fragt: „Was hast du mit dem Leben gemacht, das ich dir geschenkt habe?“ und „Was hast du mit mir gemacht, dem du dein Leben zu verdanken hast?“ Dann, so sagt Asaph, wird den Leuten, die ohne Gott leben der Boden weggezogen. Vor allem erkennt er, welch einen festen Grund er in seinem Leben doch hat. „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde“ (V. 25) bekennt er. In Gott findet er den, der ihm allein Zufriedenheit geben kann. „Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ Asaph sucht und findet in der Beziehung zu Gott Glück. Es ist ein Glück, das die kurzen Zufallsaugenblicke und die vergänglichen Glücksmomente umschließt. Ein Glück, das tiefer, höher, weiter, näher ist als alle anderen Formen von Glück. Dieses Glück der Fülle ist schwer in Worte zu fassen.
Asaph versucht es in mehreren Anläufen:
Erstens sagt er: Ich finde mein Glück in Gott, der mich hält.„Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.“ (V. 23) betet Asaph. Bei der Jagd nach persönlichem Glück und dem neidischem Starren auf das Glück anderer ist ihm entgangen, was sein Leben Halt gibt: Das ist die Beziehung zu Gott. Diese Beziehung bleibt auch dann noch bestehen, wenn ein Mensch in der tiefsten Krise steckt und Gott nicht mehr verstehen kann. Denn unser Verstand ist immer zu gering, um Gott zu fassen. Unsere Hand ist immer zu schwach, um Gott in den Griff zu kriegen. Aber er hält. Er trägt. Deswegen kann es Asaph auch weiterhin bei Gott aushalten.
Und zweitens sagt Asaph: Ich finde mein Glück in Gott, der mich ehrt. „Du nimmst mich am Ende mit Ehren an“ betet er. Asaph weiß: Auch mein Leben geht einmal zu Ende. Da geht es mir genau wie den Menschen, die dich ablehnen und ohne dich glücklich werden wollen. „Aber du, Gott“ so betet Asaph, „nimmst mich am Ende meines Lebens in Ehren an. Gott, das lässt mich zuversichtlich dem Lebensende entgegen gehen. Was für eine Aussicht, von dir einen Ehrenempfang bereitet zu bekommen, so mit rotem Teppich und prächtiger Musik, Trommelwirbel und anhaltendem Applaus all derer, die vor mir schon bei dir angekommen sind. Mein Gott, womit hab ich das verdient, von dir mit Ehren empfangen zu werden, wo ich doch sagen muss, dass allein dir die Ehre gehört. Danke, dass du mich hältst!
Schließlich sagt Asaph: Ich finde mein Glück in Gott, der mich tröstet. „Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten,so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Heil.“ (V. 26) Asaph hat so eine Situation des Verschmachtens gerade durch. Er weiß wovon er spricht. Doch er hat erfahren, wie Gottes Nähe ihm Trost schenkt. Und das ist bei Gott gar nicht anders als bei uns Menschen. Wenn wir traurig sind, tröstet uns die Nähe eines vertrauten, lieben Menschen, der zuhört, der da ist, der uns beisteht. Und wenn das schon bei uns Menschen so ist, wie viel großartiger ist das, wenn wir mit Gott zusammen sein können. Denn er kann uns näher kommen, als jeder Mensch!
„Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ Ein Zweifaches klingt darin an: „Gott ist mir nahe“ - und: „Ich bin Gott nahe, ich komme in Gottes Nähe.“ Wo das geschieht? Asaph erlebt die Nähe Gottes im Tempel. Hier ist Gott gegenwärtig. Das hat er versprochen. Wenn wir die Nähe Gottes finden wollen, müssen wir ihn dort suchen, wo er sich finden lassen will: Im Gottesdienst. Im Hören auf sein Wort. Im Gespräch mit ihm. In ganz besonderer Weise schenkt uns Gott seine Nähe im Heiligen Abendmahl, wo sich Jesus Christus selber gibt. In Brot und Wein ist er mir ganz nahe. Leibhaftig. Real. Sein Leib und Blut geht in mich ein. Ich darf ihn, seine Freundlichkeit und Güte schmecken.
Wie Asaph, so kann diese Nähe auch bei mir eine erstaunliche Verwandlung bewirken. Ich entdecke, dass ich nicht allein bin mit meinem Fragen und meiner Verzweiflung. Er schenkt mir, soviel ich brauche. Das ist mein Glück! Dieses Glück der Fülle umfasst auch alles andere Glück. Das geht von innen nach außen. Ich werde dankbar für die Glücksmomente, die ich genießen darf. Das Glück, das mir zufällt, nehme ich aus Gottes Hand. Auch die vielen Momente, in denen ich mich wohlfühle, will ich wahrnehmen und bewusst genießen. Wie gut Gott zu mir ist!
Messen, wie die Leute in Bhutan es versuchen, kann man dieses Glück nicht. Aber erleben kann man es. Und die Auswirkungen kann man erfahren. „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“
Predigt von Pastor Klaus Bergmann Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) Philippusgemeinde Gifhorn (Gamsen) und St. Michaelsgemeinde, Wolfsburg (Westhagen)