Ich schaue Menschen gerne bei der Arbeit zu. Besonders meinem Mann. Insbesondere, wenn er etwas Handwerkliches tut. Wie zum Beispiel beim Bau einer Stützmauer vor unserem alten Bauernhaus. Der häufige Regen hatte das Erdreich schon reichlich herabgeschwemmt, deshalb war es an der Zeit, diese Mauer, die seit Jahren schon unvollendet ins Tal hinunter schaute, fertig zu bauen. Im Halbrund sollte sie, sich dem Haus zuwendend, auf festem Grund stehend, auch dessen Ecke stützen. Das Fundament war schon Tage zuvor, breit und 1 m tief, ausgehoben worden. Auf dem Areal um unser Haus gab es 3 mächtige Haufen von Steinen. Natursteine, irgendwann aus einem Steinbruch ausgebrochen und mit einem großen LkW zu uns gebracht, den steilen Anfahrtsweg empor, der nur bei trockenem Wetter befahrbar ist. Jahre lang haben nun diese Steine herumgelegen. Die Schlangen haben Zuflucht zwischen ihnen gesucht, Brennnesseln sind um sie gewuchert, kaum mehr waren die Trümmerhaufen im gesamten Areal auszumachen.
Bis zu dem Tag, als der Bau der Stützmauer beginnen sollte. – Das Erdreich wurde von den Steinhaufen gerissen und die Steine wurden gesichtet. Viele würden nötig sein, um das Werk zu vollenden. Und dann beginnt die Schufterei, Schweiß treibend, in der Hitze des Sommers, nur am Morgen gnädig überschattet von den Bäumen, die, mit der gleichen Aufgabe betraut, ebenfalls den Hang vor dem Abrutschen sichern sollten. Schubkarre um Schubkarre des schweren Gesteinsmaterials wird , quietschend und polternd , herangeführt und entladen, während die Mischmaschine hinterm Haus die monotone Grundmelodie singt. Schmutzige Steine taugen nicht zum Mauerbau, verbinden sich nicht mit dem Zement und dem Eisen, das das Ganze zur Festigung durchzieht. Steine sind also zu waschen, wobei der Gartenschlauch als Nebeneffekt für Erfrischung sorgt. Wasserdunst malt kleine Regenbögen in die flirrende Mittagsluft.
Aber der härteste Teil der Arbeit steht noch bevor.
Natursteine sind –von Natur aus – gestaltlich verschieden, aus dem Felsgrund ausgebrochen, mit Ecken und Kanten. Sie passen sich nicht von Natur aus ein. So mancher Stein wandert zurück auf den Steinhaufen, weil er sich nicht einpassen läßt, - jetzt noch nicht, er wird auf seine Stelle im Bauwerk warten müssen. Mancher Stein bekommt den Hammer zu spüren, so manche Ecke stört, wird abgeschlagen. Mancher Stein wird sogar geteilt, er ist zu groß im Umfang, ob der 2. Teil an anderer Stelle Verwendung finden kann? So, Dezimeter um Dezimeter, wächst der Bau. Die Fugen werden erst viel später verspachtelt werden, fast eine Klagemauer? Im Halbrund wendet sie sich, deren Eisenträger bislang noch in die Luft geragt hatten, allmählich dem Haus zu, dessen Ecke sie mit stützen soll, hoch, stark, Sturm und Regen trotzend schaut sie ins Tal, - die Mauer.
Tage der Arbeit gehen vorbei, werden die Steine reichen? Das Areal gleicht einem Schuttabladeplatz, Gesteinsbrocken, riesige und winzige, für diese Arbeit unbrauchbar, - warten sie auf eine andere Bestimmung oder werden überwachsen, Heimat von Tieren und Pflanzen?
Die Mauer steht. Ein hartes Stück Arbeit. Aber schön ist sie geworden. Mächtig, höher als vorher angenommen. ½ Meter breit trotzt sie dem ehemals rutschenden Hang.
Sie wird halten.